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SCHIFFKOWITZ
"Schiffkowitz"
VÖ 17.6.2011
1. Hotel Gülhane
2. In Zürich
3. In The Music
4. Die Stadt erwacht
5. Immer wieder das Gleiche
6. Welt ohne Religion
7. Zwei Fenster
8. Heimat
9. Was mach i da
10. Das heilige Feuer
Das Cover der CD ist weiß. Weiß ist keine Farbe. Es ist vielmehr die Summe
aller Farben. Durch ein Prisma in seine Bestandteile zerlegt, ergibt weißes
Licht das Farbenspiel des Regenbogens. Auf dem weißen Quadrat zu lesen ist:
Schiffkowitz. Kein eigentlicher Titel, keine Subline. Wollen wir es auch hier,
bei diesem Text, im Sinne des Künstlers, einfach auch so belassen. Man kann
davon ausgehen, dass Herr Helmut Röhrling sich etwas dabei gedacht hat,
ausschließlich diesen, seinen Künstlernamen vorne drauf zu setzen.
Es ist das zweite Solo-Album des einen S von STS. Elf Jahre sind seit ‚Er
selbst‘ vergangen. ‚Ich bin kein Schnellschreiber‘ sagt Schiffkowitz und so legt
er nun 10 Songs vor. Für jedes Jahr der Etappen zwischen Album eins und zwei ein
Lied. Dazu die Monate der Produktion und Weiß wird durch die Themenvielfalt zum
Regenbogen. Ein autobiografisches Album? Ja, ein Werk für welches der Singer-
Songwriter Fenster öffnet, die Einblicke zulassen. Zehn Titel, das klingt in
Download-Zeiten wie eine EP, aber da muss der Einspruch auf dem Fuße folgen: Das
Lied, welches die CD abschließt – ‚Das heilige Feuer‘ – hat alleine eine
Spiellänge von über 10 Minuten. Also keine vorschnellen Schlüsse ziehen. Zehn
Lieder, das klingt ebenso nach guter, alter Vinyl-Zeit und da wären wir schon
viel mehr beim eigentlichen Thema. Langspielplatte – ein Wort wie aus einer
untergegangenen Welt. Hier bekommt es eine Lebendigkeit, die man gerne und
dankbar entgegen nimmt.
Schiffkowitz singt über sich, reist durch die Zeit, all die
vergangenen Jahre und die eigenen Gedanken. Alles beginnt in der Türkei, dort in
Istanbul, im ‚Hotel Gülhane‘. Eine Absteige zwar, aber was spielte das,
mit 20, für eine Rolle bei diesem Aufbruch in ein neues Leben? Die Haare lang,
der Kopf nicht gewillt sich programmieren zu lassen und per Autostopp in den
Süden. Diese Reise in die Türkei, in der Hochblüte der Hippie-Zeit, sie steht
nicht zufällig am Anfang dieser Langspielplatte. Ebenso ist
es kein Zufall, dass ‚In Zürich‘ das nächste Lied auf der Platte ist.
Zürich ist jene Stadt, in der der Mann, der später als Schiffkowitz über das
Leben als Straßenmusikant in Wien gesungen hat, tatsächlich als ein solcher
zugange war. Legionen von STS-Fans glauben bis heute, dass es Erlebnisse auf der
Wiener Kärntner Straße waren, die den Grundstein zur heimlichen Steirischen
Hymne ‚Fürstenfeld’ gelegt haben, ‚aber da habe ich nie gespielt‘, erzählt
Schiffkowitz. Nachsatz: ‚Glaubt des etwa wer?‘ Heftiges Bejahen! ‚Na, nie… in
Zürich aber schon‘. Fürstenfeld reloaded? Klar, man muss nur genau hinhören.
Hinhören und weitere Stimmen entdecken. Starring - in alphabetical order:
Wolfgang Ambros, Christian Kolonovits, Willi Resetarits.
‚In the music‘ heißt jener Song auf der LP, der eine
tiefe Verbeugung bei jenen hervorrufen muss, die das Lied und all die Chemie die
da drin steckt, zu deuten wissen. Ja, man muss schon etwas reifer sein und
länger im Leben stehen, um die Magie zu erkennen. Schiffkowitz im Duett mit
Donovan. Donovan Leitch um genau zu sein. Die beiden Herren sind (fast) gleich
alt, haben sich durch die Familie Theessink kennen und schätzen gelernt. In den
60ern wollte die Musikindustrie Donovan als englischen Bob Dylan aufbauen. Das
hat so nicht funktioniert, aber die Lieder die Herr Leitch uns geschenkt hat –
allen voran ‚Atlantis‘ – sind Musikgeschichte und wurden auch von Schiffkowitz,
zu einer Zeit wo das Straßenmusikertum in seinem Leben eine Rolle gespielt hat,
gesungen. Mellow Yellow, Hurdy Gurdy Man, Catch The Wind… ‚Als wir einander
vorgestellt wurden, hab ich zu ihm gesagt: I hab seinerzeit auf der Straße deine
Lieder g‘sungen‘, erinnert sich Schiffkowitz. Es war der Anfang einer
Künstlerfreundschaft, geprägt durch gegenseitigen Respekt. ‚Ein sehr
persönliches Duett‘ ist es geworden und ein Schlüssellied. Wer ‚In the music‘
nicht spürt, der wird möglichweise die ganze Platte nicht verstehen. Hingegen:
Wer das Lied spürt, verlässt nur mit einer Frage das Lied: Wann kommt die
Vinylpressung?
‚Die Stadt erwacht‘ – der Song ist geprägt von Hans Theessinks mit
nichts zu vergleichendem Gitarrenspiel und dem Gefühl, dass das Lied aus einem
Guss ist und so ist es auch entstanden. Für Schiffkowitz rekordverdächtig durch
plötzliches, durch nichts unterbrochenes Aufschreiben. Beobachtungen durch halb
geschlossene Augenlider. Die Stadt und ihre Menschen wachen auf. ‚Sie reibt sich
die Nacht aus jeder Seitengasse‘ – was für eine Zeile! Herrjeh, wie lange musste
man warten um solche Texte wieder hören zu dürfen.Es folgt
‚Immer wieder das Gleiche‘, ein Song über das Abschiednehmen. ‚Damit kann
ich generell schlecht umgehen. Während der Produktionszeit dieser Platte habe
ich drei Menschen aus meinem Bekanntenkreis gehen gesehen. Darunter Kurt
Hauenstein. Das letzte was ich von ihm gehört habe war: Burschen, macht’s was,
was vom Herzen kommt‘, erinnert sich Schiffkowitz und wir setzen an dieser
Stelle einen Gedankenstrich statt eines Punktes -
‚Welt ohne Religion‘ steht genauso für sich wie ‚Heimat‘. ‚Zwei
Themen, die mich seit langem beschäftigen‘. Bei ersterem bezieht der Mann keine
Stellung, ist Aufzähler und knallt, unterstützt durch Vocals von Boris Bukowski,
nach den Fragen den Refrain auf den Tisch. Kompromisslos. Beim zweiten Lied darf
man nicht vorher aussteigen, sonst kommt man auf eigenartige Gedanken. Man muss
dranbleiben bis Insingizi, die Stimmen aus Afrika zu hören sind und Willi
Resetarits. Erst dann passt der Begriff ‚Heimat‘ auch zu Schiffkowitz und der
Tirolerhut zum Kopftuch.
In ‚Zwei Fenster‘ sind sie indirekt zu dritt.
Interpretation: Schiffkowitz, Text: Steinbäcker, Musik: Timischl. Thema: Alles
hat seine Zeit und es ist wie es ist.
In ‚Was mach i da‘ erlaubt sich der Mann seltenes. Bad Times in
Griechenland. Gibt’s so was überhaupt? ‚Klar, es hat mich halt alles angezipft
und der Schlüsselsatz darin lautet: Die Akropolis brauch i a net, die is heut
nix als wie alt‘. Vier Minuten übers Zwidersein singen. Auch das hat seinen Reiz
und wenn wie hier, in diesem Lied, das zweite S und das T mit dabei sind, dann
wird das kommunale Granteln kultig!
Die LP endet mit ‚Das heilige Feuer‘. In diesem
griechischen Dorf mit dem ungewöhnlichen Namen schließt sich der Regenbogen. In
einer Bucht auf Kreta treffen sich 30 Jahre in 10 Minuten Musik und Text. ‚Diese
Bucht, sie ist ein sehr wichtiger Platz für mich‘ und jeder Versuch, dies von
Schiffkowitz hier genauer beschreiben zu lassen, wäre ein Fehler. Es gibt
Momente, Situationen wo die Musik einfach für sich sprechen soll und ‚Das
heilige Feuer‘ ist so ein Moment.
Bleibt hier nur noch die eine Frage dringend zu wiederholen: Wann kommt die
Vinyl-LP?
-az-
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